Nachhaltigkeit betrifft auch Seeleute
Hergen Riedel Club 0 09.04.2022
Es sei viel zu kurz gegriffen, Nachhaltigkeit in der maritimen Wirtschaft allein auf die Bereiche Umwelt und Klima zu beziehen. Zur Nachhaltigkeit gehöre auch die soziale Lage der Seeleute. So gab Claudia Müller, Mitglied des Deutschen Bundestages und seit Januar 2022 auch Koordinatorin der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft und Tourismus, das Motto des "Kamingespräch" im Seemannsclub DUCKDALBEN aus. Bei diesem Austausch unternahm sie zusammen mit ihrer persönlichen Referentin, Verena Hedtke, und dem DUCKDALBEN-Team eine Tour d´ horizon durch die soziale und arbeitsrechtliche Situation der Seeleute ? flankiert durch die Maritime Labour Convention. kurz MLC. Mit dabei: Sören Wichmann (Leitung Seemannsclub DUCKDALBEN), Anke Wibel sowie Jan Oltmanns (Geschäftsführung Deutsche Seemannsmission Hamburg-Harburg e.V. , als Trägerverein), Olaf Schröder (Leiter Seafarers´ Lounge, Betreuung der Kreuzfahrt-Crews), Jörn Hille (Leiter Bordbesuchsdienst), Matthias Ristau (Generalsekretär Deutsche Seemannsmission).
Dazu gehörte u.a. die Position der Seemannsmission zur Kreuzschiff-Fahrt: Sie war in Hamburg Corona-bedingt zurückgegangen, dennoch übernahm die Seemannsmission in der Pandemie-Zeit gemeinsam u.a. mit dem Havarie-Kommando eine Reihe seelsorgerischer und medizinisch-betreuenden Aufgaben. Erst diese Teams brachten u.a. psycho-soziale Hilfe an Bord der Kreuzfahrtschiffe ? die von anderer Seite vermisst wurde. Das Stichwort hier: Psycho-soziale Hilfe. Die Deutsche Seemannsmission (DSM) hat dazu 2021 eine "Projektstelle für die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV)" von Seeleuten eingerichtet.
Ein Vorgang, der bei Claudia Müller Verwunderung auslöste: Der am neuen Hamburger Kreuzfahrtterminal geplante, ursprünglich auf 300 qm dimensioniert neue Standort, steht von Seiten des neuen Kreuzfahrtterminals derzeit nur noch mit 25 qm-Flächengröße im Plan.
Die Arbeitswelt der Kreuzfahrt-Schiffe steht exemplarisch für das Aufgabenfeld der Seemannsmission: Arbeitssicherheit, soziale Lage der Seeleute, prekäre Arbeitsverhältnisse an Bord, Überlastung von Physis und Psyche durch Verdichtung der Arbeit. In der Pandemie kamen - ungewohnte - Aufgaben dazu, die "eigentlich" anderen obliegen, hinzu kamen und kommen die Corona-Sicherung der Seeleute, die Impfung im Seemannsclub und im Kreuzfahrttermin oder die Betreuung der in Quarantäne befindlichen Seeleute. Hier sei ein aktuelles Anliegen, die Betreuung der betroffenen Crews nicht nur eher zufällig in Hotels zu leisten, sondern institutionell zu organisieren.
An dieser Stelle tauchte ? erneut - das zentrale Thema auch der politischen Strategie von Claudia Müller auf. Wenn sich Nachhaltigkeit nur auf grüne Klima- und Umweltpolitik beziehe, sei dies "viel zu kurz gegriffen". Sie wies darauf hin, dass Nachhaltigkeit nicht nur wie derzeit meist in der Öffentlichkeit thematisiert, Umwelt, Klima und schwefelarme Treibstoffe bedeute. Auch die sozialen Lage der Seeleute, die Umsetzung arbeitsrechtlicher Vorgaben an Bord gehörten zur Nachhaltigkeit und müssten deshalb auch Eingang in einen Nachhaltigkeitsbericht einer Reederei finden.
In ein umfassendes Lieferkettengesetz seien auch arbeits- und sozialrechtliche Auflagen der Seeleute hineinzuschreiben, fordert Matthias Ristau. Dann seien weitere Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte an Bord auszumustern, etwa wenn es um Landgang geht. Im Ideal ergebe sich eine win-win-Situation: Gute Arbeitsverhältnisse für Seeleute sind gut angelegt. Sie zahlen auch ein auf die Betriebssicherheit der Schiffe.
Allerdings sei zu registrieren, dass in der maritimen Welt zuweilen andere Regeln als an Land gelten. Leider sei es so, dass sich maritime Entscheider auf gesetzliche und politische Mindeststandards zurückziehen, so auch Müller. Diese Mindeststandards aber reichten nicht aus für auskömmliche Lebensverhältnisse. Daher nimmt die Seemannsmission eine Art "Kontrollfunktion", um "Stellschrauben" zu drehen, so das DUCKDALBEN-Team. Das gelinge dank der Vernetzung der Seemannsmission weltweit und dank der guten Vernetzung im Hafen, etwa mit dem Hamburger Hafenärztlichen Dienst, auch vor Ort an der Elbe.
Wenn die von Seeleuten und auch Politik geschätzte Arbeit der Seemannsmission und speziell des DUCKDLABEN auf bewährtem Niveau weiter gehen kann, sei eine kontinuierliche finanzielle Hilfe nötig, adressiert das Clubteam eine Bitte an die maritime Wirtschaftswelt. Verschiedene Akteure unterschiedlicher Branchen müssen die Hilfe schultern. So sei eine unabhängige Arbeit für die Seeleute - UND den Hafen möglich. Gefragt seien Politik aber auch Wirtschaft und damit Reedereien.
Die Unterstützung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist ein ? gewichtiger ? Baustein im Fundament des Clubs in Hamburg. Er erlaube gute soziale Arbeit im Hafen. Claudia Müller: "Dafür hat Hamburg einen besonderen Blick".